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Schwung geben zu den Siegen von Leuthen und Montereau, und welchen die großen Feldherren in der
Verteidigung sich öfter vertraut haben, ist doch, wenn wir klar und genau sein wollen, nur ein seltenes
Vorkommen in der Geschichte.
Achtes Kapitel: Überlegenheit der Zahl 90
Inhalt
Viel häufiger hat die relative Überlegenheit, d. h. die geschickte Führung überlegener Streitkräfte auf den
entscheidenden Punkt, ihren Grund in der richtigen Würdigung dieser Punkte und der treffenden Richtung,
welche die Kräfte von Hause aus dadurch erhalten; in der Entschlossenheit, welche erforderlich ist, um das
Unwichtige zum Besten des Wichtigen fallen zu lassen, d. h. seine Kräfte in einem überwiegenden Maße
vereinigt zu halten. Darin sind namentlich Friedrich der Große und Bonaparte charakteristisch.
Hiermit glauben wir der Überlegenheit in der Zahl die Wichtigkeit wiedergegeben zu haben, die ihr
zukommt; sie soll als die Grundidee betrachtet, überall zuerst und nach Möglichkeit gesucht werden.
Sie darum für eine notwendige Bedingung des Sieges zu halten, würde ein völliges Mißverstehen unserer
Entwicklung sein; vielmehr liegt in dem Resultat derselben nichts als der Wert, welchen man auf die Stärke
der Streitkräfte im Gefecht legen soll. Wird diese Stärke so groß als möglich gemacht, so ist dem Grundsatz
genug geschehen, und nur der Blick auf die Gesamtheit der Verhältnisse entscheidet, ob das Gefecht wegen
fehlender Streitkräfte vermieden werden darf oder nicht.
Neuntes Kapitel: Die Überraschung
Schon aus dem Gegenstand des vorigen Kapitels, dem allgemeinen Streben nach relativer Überlegenheit,
ergibt sich ein anderes Streben, welches folglich ebenso allgemein sein muß: es ist die Überraschung des
Feindes. Sie liegt mehr oder weniger allen Unternehmungen zum Grunde, denn ohne sie ist die Überlegenheit
auf dem entscheidenden Punkte eigentlich nicht denkbar.
Die Überraschung wird also das Mittel zur Überlegenheit, aber sie ist außerdem auch als ein selbständiges
Prinzip anzusehen, nämlich durch ihre geistige Wirkung. Wo sie in einem hohen Grade gelingt, sind
Verwirrung, gebrochener Mut beim Gegner die Folgen, und wie diese den Erfolg multiplizieren, davon gibt
es große und kleine Beispiele genug. Es ist also hier nicht vom eigentlichen Überfall die Rede, welcher beim
Angriff hingehört, sondern von dem Bestreben, mit seinen Maßregeln überhaupt, besonders aber mit der
Verteilung der Kräfte den Gegner zu überraschen, welches ebensogut bei der Verteidigung gedacht werden
kann und in der taktischen Verteidigung namentlich eine große Hauptsache ist.
Wir sagen: die Überraschung liegt ohne Ausnahme allen Unternehmungen zum Grunde, nur in sehr
verschiedenen Graden nach der Natur der Unternehmung und der übrigen Umstände.
Schon bei den Eigenschaften des Heeres, des Feldherrn, ja der Landesregierung fängt dieser Unterschied an.
Geheimnis und Schnelligkeit sind die beiden Faktoren dieses Produktes, und beide setzen bei der Regierung
und beim Feldherrn eine große Energie, beim Heere aber einen großen Ernst des Dienstes voraus. Mit
Weichlichkeit und laxen Grundsätzen ist es vergeblich, auf Überraschung zu rechnen. Aber so allgemein, ja
so unerläßlich dieses Bestreben ist, und so wahr es ist, daß dasselbe nie ganz ohne Wirkung bleiben wird, so
ist es doch ebenso wahr, daß es selten in einem ausgezeichneten Grade gelingt, und daß dies in der Natur der
Sache liegt. Man würde sich also eine falsche Vorstellung machen, wenn man glaubte, durch dieses Mittel sei
hauptsächlich viel im Kriege zu erreichen. In der Idee spricht es uns so sehr an, in der Ausführung bleibt es
meistens in der Friktion der ganzen Maschine stecken.
In der Taktik ist die Überraschung vielmehr zu Hause aus der ganz natürlichen Ursache, daß alle Zeiten und
Räume kleiner sind. Sie wird also in der Strategie um so tunlicher, als die Maßregeln dem Gebiet der Taktik
näherliegen, und um so schwieriger, je höher hinauf gegen das Gebiet der Politik diese liegen.
Die Vorbereitungen zum Kriege nehmen gewöhnlich mehrere Monate ein, die Versammlung der Heere in
ihren großen Aufstellungspunkten erfordert meistens die Anlage von Magazinen und Depots und
beträchtliche Märsche, deren Richtung sich früh genug erraten läßt.
Neuntes Kapitel: Die Überraschung 91
Inhalt
Es ist daher äußerst selten, daß ein Staat den anderen mit einem Kriege überrascht oder mit der Richtung
seiner Kräfte im großen. Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert, wo der Krieg sich viel um
Belagerungen drehte, war ein vielfältiges Bestreben und ein ganz eigenes wichtiges Kapitel in der
Kriegskunst, einen festen Platz unvermutet einzuschließen; und auch dies gelang nur selten.
Dagegen ist bei Dingen, die von einem Tag zum anderen geschehen können, die Überraschung viel
denkbarer, und so ist es denn auch oft nicht schwer, dem Feinde einen Marsch und dadurch eine Stellung,
einen Punkt in der Gegend, einen Weg abzugewinnen usw. Allein es ist klar, daß, was die Überraschung nach
dieser Seite hin an Leichtigkeit gewinnt, an ihrer Wirksamkeit verloren geht, sowie diese nach der anderen
Richtung hin immer zunimmt. Wer da glaubt, daß sich an solche Überraschung in kleinen Maßregeln oft
Großes anknüpfen ließe, z. B. der Gewinn einer Schlacht, die Wegnahme eines bedeutenden Magazins, der
glaubt etwas, was allerdings sehr denkbar ist, was aber die Geschichte nicht bewährt, denn es sind im ganzen
sehr wenig Beispiele, wo aus solchen Überraschungen Großes hervorgegangen wäre, woraus man wohl ein
Recht hat, auf die Schwierigkeit zu schließen, die in der Sache liegen.
Freilich muß, wer die Geschichte in solchen Dingen befragt, sich nicht an gewisse Paradepferde der
historischen Kritik, an ihre Sentenzen und selbstgefälligen Terminologien halten, sondern dem Faktum selbst
in die Augen sehen. Es gibt z. B. einen gewissen Tag im Feldzuge von 1761 in Schlesien, der in dieser
Beziehung eine Art Berühmtheit hat. Es ist der 22. Juli, an welchem Friedrich der Große dem General
Laudon den Marsch nach Nossen bei Neisse abgewann, wodurch, wie es heißt, die Vereinigung der
österreichischen und russischen Armee in Oberschlesien unmöglich und also für den König ein Zeitraum von
vier Wochen gewonnen wurde. Wer dieses Ereignis in den Hauptgeschichtschreibern* umständlich nachliest
und unbefangen überlegt, wird in dem Marsch vom 22. Juli diese Bedeutung niemals finden und überhaupt in
dem ganzen Räsonnement, welches über diesen Punkt zur Mode geworden ist, nichts als Widersprüche, in
den Bewegungen Laudons in dieser berühmten Manöverzeit aber viel Unmotiviertes sehen. Wie könnte man
nun bei dem Durst nach Wahrhaftigkeit und klarer Überzeugung solch einen historischen Beweis gelten
lassen.
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* Tempelhoff, der Veteran, Friedrich der Große.
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Indem man sich von dem Prinzip der Überraschung im Laufe eines Feldzuges große Wirkungen verspricht,
denkt man an eine sehr große Tätigkeit, schnelle Entschlüsse, starke Märsche, welche dazu die Mittel geben
sollen; daß aber diese Dinge, auch da, wo sie in einem hohen Grade vorhanden sind, nicht immer die
beabsichtigte Wirkung hervorbringen, sehen wir an Beispielen zweier Feldherren, die wohl dafür gelten
können, die größte Virtuosität darin gehabt zu haben, Friedrich des Großen und Bonapartes. Der erstere, als
er im Juli 1760 so urplötzlich von Bautzen aus auf Lacy fiel und sich gegen Dresden wandte, erreichte mit
diesem ganzen Intermezzo eigentlich nichts, vielmehr wurden seine Angelegenheiten dadurch merklich
verschlimmert, indem Glatz unterdessen fiel. [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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