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mittelt und wunderbar unerwartet, so, wie es gesagt werden
sollte, über einem Waffelteig zum Beispiel, mit Mehl an der
Wange und Zucker an den Fingern und mitten in einer Radi-
odiskussion über die Lage im Mittleren Osten. Was Rebecca
dagegen schaffte, war, den Rührlöffel wegzulegen, langsam
das Hemd aus Synnes Hose zu ziehen, mit der Zunge ein Herz
um ihre Brustwarzen zu malen und Zucker darüber zu
streuen, ein süßes Herz, das weggeleckt werden musste, und
deshalb gab es dann doch keine Waffeln. Aber niemals sagte
sie: »Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich«, keuchte Synne schwer und nass, im Takt
der Finger, die ziemlich energisch in Rebecca ein- und
auswanderten.
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Zwei Finger. Drei Finger. Härter und fester.
»Ich liebe dich. Ich liebe dich.«
Betonung auf »liebe«. Ausatmen bei »liebe«, Eindringen
bei »liebe«, bei jeder Berührung der Fingerspitzen auf dem
geschwollenen Kissen irgendwo dort drinnen, vorher, vor
jeder Berührung: liebe!
Und endlich die Antwort, die ersehnte Antwort  ein Strom
von Flüssigkeiten, eine plötzliche Veränderung der Kon-
sistenz. Vom ölglatten, sickernden, verführerischen zu einem
heftigen Strom lebendigen Wassers, die reine Zauberkunst!
Die Finger mussten sofort innehalten, die Schleimhäute
schlossen sich um sie und waren nicht mehr glatt, sie waren
nur hart und saugend und fühlten sich an wie nichts anderes
auf der ganzen Welt; oder vielleicht wie kalkreiches Wasser
auf einem kostbaren Stoff, auf Damast oder grober, dicker
Seide.
Ohne die Hand zu entfernen, beugte sie sich tiefer über Re-
beccas Gesicht. Vorsichtig legte sie sich neben sie, mit dem
Kopf in der Höhe der Brust, einer sich ausdehnenden Brust,
die die Augen geschlossen hatte und zu schlafen schien.
Synne stützte sich auf ihren freien Ellbogen.
»Du bist wieder da«, flüsterte sie.
Rebecca öffnete die Augen nicht, aber ihr einer Mund-
winkel bewegte sich ein wenig, es war der Anfang eines
Lächelns.
»Es war alles schrecklich«, sagte Synne jetzt, während sie
die Hand Millimeter um Millimeter herauszog.
Kleine Grimassen jagten über Rebeccas Gesicht, und sie at-
mete schwer, als die Hand endlich frei war. Es hörte sich an
wie ein Keuchen.
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»Ich bin schrecklich froh, dass du wieder da bist«, flüsterte
Synne. »Warum bist du zurückgekommen?«
Rebecca Dorothea Faber Lange Schultz gab keine Antwort.
Sie schlief.
27
Synnes Großmutter starb in der Nacht auf einen Sonntag,
gleich nachdem der Samstag zu Ende war und der Feiertag
begonnen hatte. Synne erschien das als gutes Zeichen, der
Sonntag war ein schöner Tag zum Sterben. Sie war an einem
Sonntag geboren.
Sie musste zugeben, dass der Tod eines achtzigjährigen
Menschen nicht so tragisch war wie der eines fünfjährigen.
Dennoch war es herzzerreißend traurig, im wahrsten Sinne
des Wortes; wenn sie tief atmete, verspürte sie Messerstiche
in der Brust. Die Großmutter war etwas Festes, etwas Greif-
bares gewesen, in einer Kindheit mit dauernden Umzügen,
neuen Umgebungen, fremden Menschen. Die Großeltern war-
en beständig. Sie waren da, winzige Menschen, munter,
großzügig, gastfreundlich und einfach immer begeistert von
ihren vielen Nachkömmlingen.
Am Freitag hatte Synnes Mutter angerufen.
»Jetzt geht es dem Ende zu«, sagte sie tonlos.
Synne flehte Rebecca an, mitzukommen, sie fiel im wahr-
sten Sinne des Wortes auf die Knie und faltete die Hände.
»Bitte, Rebecca, bitte!«
Aber Rebecca hatte die Kinder bei sich. Eine zivilisierte Ab-
machung hatte Rebecca genug Geld für ein ausreichend
großes Haus eingebracht. Auch die Kinder wurden gerecht
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geteilt. Eine Woche bei jedem Elternteil. Sehr modern.
Überaus bewusst. Sie würden erst am folgenden Freitag bei
ihrem Vater abgeliefert werden. Und dann würde Synnes
Großmutter schon tot sein.
Synne fuhr allein und traf am späten Freitagabend im
Krankenhaus in Porsgrunn ein. Das Zimmer der Großmutter
war gefüllt mit Menschen und Krankenhausgeruch. Drei
Tanten und Onkel waren da, die Mutter und der Großvater; er
saß in einem Sessel und döste und sah so verletzlich aus, dass
Synne seinetwegen in Tränen ausbrach, nachdem sie das Zim-
mer betreten hatte.
Die weißen Haare der Großmutter waren so schön gekäm-
mt, nach hinten, sie umwogten das magere Gesicht, es war
von Natur aus schmal und jetzt von drei Krankheitsjahren
gezeichnet. Die Haut war bleich, aber nicht beängstigend, und
sie war trocken und warm, obwohl die Großmutter um Atem
rang und sich offenbar nur mit großer Mühe am Leben
erhielt.
Die Großmutter hatte kleine, blassblaue Augen, die liebsten
Augen auf der Welt. Sie waren geschlossen, als Synne an ihr
Bett trat. Die Mutter beugte sich über sie, streichelte ihre
Stirn, berührte eine Locke, die immer hineinfiel, und
flüsterte:
»Jetzt ist Synne hier, Mutter. Synne ist gekommen.«
Es dauerte eine Weile, dann schaute die Großmutter durch
einen Spalt zwischen ihren Lidern zu ihr hoch. Synne beugte
sich vor, und obwohl die Großmutter im Sterben lag, obwohl
ihre Lunge mit Wasser bis zum Bersten gefüllt war und fast
keinen Sauerstoff mehr ans Gehirn weiterleiten konnte,
wusste Synne doch, dass sie gesehen wurde. Die Augen der
Großmutter hafteten an ihren, nicht lange, aber sie hafteten
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an ihren, und die Ahnung eines Lächelns huschte über das
Gesicht, ehe die Großmutter wieder in sich versank.
Für Synne wurde Platz gemacht, oben, bei der Schulter der
Großmutter, damit sie ihre Hand halten konnte; sie war
trocken und knotig und vertraut.
»Warum haben sie ihr die Zähne nicht rausgenommen?«,
flüsterte Synne.
Das Gebiss, das der Großmutter so seltsam peinlich
gewesen war  es war schrecklich für sie, dass sie in jungen
Jahren schon die Zähne verloren hatte  , saß noch immer in
ihrem Mund, wenn auch locker, so, dass es sich im Takt ihres
keuchenden Atems bewegte. Es sah nicht hässlich aus (genau
diese Erkenntnis, dass es weder hässlich noch abstoßend war,
es war nicht einmal peinlich, überraschte Synne). Aber es sah
unbequem aus, es schien sie daran zu hindern, das bisschen
Luft einzuziehen, die sie trotz allem brauchte, um die wenigen
Stunden durchzuhalten, die ihr vom Leben noch blieben.
»Opa will das so«, flüsterte die Mutter zurück.
»Aber das muss sie doch stören?«
»Nein, der Arzt hat gesagt, das sei kein Problem. Sie spürt
es gar nicht.«
Synne saß fast dreißig Stunden bei ihrer Großmutter, nur
unterbrochen von einer Mahlzeit und ab und zu einer Tasse
Kaffee. Irgendwann, nicht lange, nur für einige Minuten, war
sie mit ihr allein.
Mehr als alles andere hätte sie ihr gern gesagt, wie lieb sie
sie hatte. Es tat Synne weh, es war eine schreckliche Last; sie
wollte, dass die Großmutter die Augen öffnete und sie ansah,
die Tochter ihrer Tochter, das erste Enkelkind, aber Blickkon-
takt war nicht nötig, war absolut nicht nötig, sie wollte es
trotzdem sagen, sie war überzeugt davon, dass die
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Großmutter sie hören konnte, Synne wollte so schrecklich
gern etwas sagen, das all die schönen Sommer umfasste, die
Ferien, die ganze Geborgenheit, die sie in dem kleinen Haus
in Kragero immer gefunden hatte, wenn alles andere schwi-
erig und unüberwindbar gewesen war, und die vielleicht nicht
im Haus gelegen hatte, sondern im Herzen der Großmutter.
Aber sie konnte nichts sagen. Synne weinte und weinte, das
gute Weinen, das nur von blauer Trauer erfüllt ist und keine
Spur von Reue oder von dem Wunsch enthält, etwas anderes
getan zu haben. Aber nicht das Weinen hinderte sie am
Sprechen. Sie traute sich einfach nicht. Die Angst überkam
sie, dass das zum Tod führen könnte. Wenn Synne sagte, dass
sie sie liebte, würde die Großmutter sterben. Sie war wie be-
sessen von dieser Vorstellung: Die Großmutter warte nur auf
die verbale Bestätigung dessen, was sie schon wusste; wenn
die Bestätigung käme, würde sie lächeln und vielleicht die Au-
gen öffnen und wieder schließen, um sich dann in die [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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